Kirche und Oktogon
Die Wieselburger Pfarrkirche ist über die Jahrhunderte gewachsen. Ihr größtes Geheimnis lüftete ein Brand, der aufgrund eines Blitzschlags im Oktober 1952 ausgelöst worden war. Der Großteil der Kirche konnte gerettet werden, das Feuer und das Löschwasser richteten dennoch großen Schaden an und die Kirche musste von Grund auf renoviert werden. Dabei offenbarten sich gleich mehrere Geheimnisse der Geschichte. Jener Teil der Kirche, der immer für einen gotischen Karner gehalten worden war, entpuppte sich als ältester Sakralbau Österreichs: das ottonische Oktogon aus dem Jahr 993. Es ist heute ein Teil der Wieselburger Pfarrkirche.
Das Oktogon
Im Jahr 976 erhielt Bischof Wolfgang von Regensburg vom römischen Kaiser Otto II. die mündliche Zusage für ein Stück Land am Zusammenfluss von Großer und Kleiner Erlauf, um dort eine Fluchtburg zum Schutz der Bevölkerung von Steinakirchen zu errichten. Der Bischof erneuerte daraufhin die bereits bestehende Wehranlage am Kirchenberg. Anstatt einer Burg errichtete er in der Mitte der Anlage eine imposante Wehrkirche. Neben ihrer religiösen Funktion sollte sie den Menschen als Unterschlupf in Gefahrensituationen dienen.
Dem Geschmack der herrschenden Ottonen entsprechend wurde die Kirche im spätantiken byzantinischen Stil ausgeführt. In ihrer Bauweise finden sich Parallelen zur Pfalzkapelle in Aachen, einem bedeutenden Zentralbau aus der Karolingerzeit. Die Grundform ist quadratisch, bildet aber mit den Seitenarmen ein griechisches Kreuz, das durch acht nischenförmige Gewölbezwickel, sogenannte Trompen, in ein Oktogon übergeführt wird. Heute sind noch fünf der acht Trompen erhalten. Diese spitzen sich nach oben hin zu und bilden die Kuppel. Die Fresken im Oktogon sind die ältesten erhaltenen Monumentalmalereien Österreichs.
Die komplexe byzantinische Bildkomposition ist zu großen Teilen noch erkennbar. In ihrem Zentrum ist Christus als Weltenherrscher dargestellt. Darunter sind in Medaillons Engel, Symbole der Evangelisten, die acht Seligpreisungen aus der Bergpredigt sowie Apostel und Propheten zu sehen. Bischof Wolfgang weihte die Kirche dem heiligen Ulrich von Augsburg, der sein Lehrer und Freund war. Fünfzig Jahre nach seinem Tod wurde Wolfgang, der Ortsgründer von Wieselburg, heilig gesprochen.
Heute sind Kunstschätze aus 1.000 Jahren in der Wieselburger Pfarrkirche vereint. Das Bild am barocken Hochaltar im Oktogon zeigt den Triumph des heiligen Ulrich (890–973), dem die Kirche geweiht ist. Er hatte maßgeblich zum Sieg gegen die Ungarn beigetragen. Um 1500 wurden vom Oktogon drei Achtel entfernt und ein zweischiffiges Langhaus mit gotischem Kreuzrippengewölbe angebaut. Nach dem Kirchenbrand führte der St. Pöltner Architekt Franz Barnath eine weitere Vergrößerung nach Süden hin durch. Der Künstler Robert Herfert (1926–2011) hat in den 1960er Jahren zeitgenössische Akzente in der Pfarrkirche gesetzt. Die Mosaik-Darstellung von Christus als Weltenherrscher am Hauptaltar zitiert die mittelalterlichen Fresken im Oktogon. Fünf abstrakt wirkende Farbglasfenster zeigen Symbole aus der Passion Christi wie Ölzweig und Dornenkrone. Das Altarbild im rechten Seitenaltar zeigt Mariä Verkündigung, darunter steht eine spätgotische Madonna mit Kind. Im linken Seitenaltar ist der heilige Josef zu sehen, der einem Sterbenden die Hand hält.
Grabmal des Joseph Edlen von Fürnberg
Gegenüber vom Haupteingang in die Kirche ist das klassizistische Grabmal des Joseph Edlen von Fürnberg (1742-1799) zu sehen. Der Besitzer des Schlosses Weinzierl hatte sich große Verdienste um das Postwesen in den österreichischen Ländern erworben (Erbpostmeister). 1799 in Melk verstorben, wollte er hier in Wieselburg begraben sein. Die Fürnberggruft lag im Bereich des ehemaligen Westarmes des Oktogons und wurde 1952 entdeckt. Das bemerkenswerte Denkmal zeigt eine überlebensgroße Frauengestalt, die sich auf einem Steinsockel abstützt, der eine Urne trägt; seitlich sind Embleme der Post angebracht: Standarten und Posthörner.
Das Friedenskreuz
Das Friedenskreuz wurde am 31. Mai 1992 als Symbol des Friedens eingeweiht. Das Fundament – ein gleichseitiges Dreieck – symbolisiert die Dreifaltigkeit. Im Zentrum des Kreuzes ruht die Welt. Das Kreuz trägt die Inschrift „Friede der Heimat – Friede der Welt“ und wurde nach den Plänen des Wieselburger Architekten DI Johannes Scheruga gestaltet.